Partizipation stärken – Schule entwickeln (PasSe)

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Partizipation ist ein von den Vereinten Nationen verabschiedetes Kinderrecht, seit 2005 sind Schulen im Kanton Zürich per Gesetz aufgefordert, Partizipation institutionell zu verankern. Was aber ist unter Partizipation zu verstehen und wie wird sie an den Schulen umgesetzt? Diesen Fragen ging das Forschungsprojekt über einen Zeitraum von drei Jahren an fünf Schulen im Kanton Zürich nach.

Inhalt dieser Seite

Steckbrief

Projektleitung
Enikö Zala-Mezö (PHZH)
Projektteam
Gisela Unterweger (PHZH), Julia Häbig (PHZH), Pascale Herzig (PHZH), Reto Kuster (PHZH), Daniela Müller (PHZH), Enikö Zala-Mezö (PHZH), Nina-Cathrin Strauss (PHZH)
Organisationseinheit
F-PS-ZSE (Schulentwicklung)
Projektphase
Abgeschlossen; 1.7.2015–30.6.2019
Projekttyp
Forschungs- und Entwicklungsprojekt
Finanzierung
Stiftung Mercator

Beschreibung

Partizipation von Schülerinnen und Schülern ist seit 1989 in der UN-Kinderrechtskonvention verankert, in der Schweiz ist die Konvention 1997 in Kraft getreten. Das Zürcher Volksschulgesetz sieht seit 2005 vor, dass Schülerinnen und Schüler an Entscheiden, die sie betreffen, beteiligt werden sollen. Was aber bedeutet Partizipation konkret? Welche Vorstellungen von Partizipation sind an den Schulen verbreitet? Und wie und worüber können Kinder und Jugendliche im Schulalltag aktiv mitbestimmen? Mit diesen Fragen hat sich das Forschungsprojekt «Partizipation stärken ¬– Schule entwickeln» (PasSe) auseinandergesetzt.

Das Projektteam arbeitete über einen Zeitraum von drei Jahren mit fünf Schulen (zwei Primarschulen, zwei Sekundarschulen, eine Gesamtschule) im Kanton Zürich zusammen. In einer vergleichenden Fallstudie wurden quantitative und qualitative Daten der Schüler- und Lehrerschaft zu zwei Messzeitpunkten erhoben, um die Umsetzung von Partizipation fallspezifisch zu beschreiben und die Entwicklungswege der Schulen aufzuzeigen. Erhoben wurden sowohl die Sichtweisen der Lehrenden als auch der Lernenden.

Im Zentrum des Projektes standen drei Forschungsfragen:
• Welche Vorstellungen von Partizipation existieren bei Schülerinnen und Schülern sowie in Schulteams?
• Wie setzen die Schulen Partizipation von Schülerinnen und Schülern in der Praxis um?
• Wie wird das Thema als Schulentwicklungsprozess angegangen?

Ergebnisse des Projekts

Vorstellungen von Partizipation an den Schulen

Lehrpersonen haben unterschiedliche Haltungen gegenüber Partizipation und begegnen ihr auch unterschiedlich, einige ermöglichen Partizipation im Schulalltag spontan und flexibel. Um Partizipation zuzulassen, müssen Lehrpersonen ihr Rollenverständnis überdenken und Lernenden mehr zutrauen, weniger kontrollieren, Machtasymmetrie reduzieren und mit unerwarteten Fragen, auf die sie nicht sofort eine Antwort haben, umgehen.

Viele Lehrpersonen stehen der Partizipation kritisch gegenüber, weil für sie das Ziel der möglichst hohen Leistung der Lernenden im Vordergrund steht und Partizipation als zeitintensiv wahrgenommen wird. Lehrpersonen sehen aber auch die Vorteile von Partizipation, wie eine höhere Motivation der Lernenden oder die Möglichkeit, sich selbst durch das Mitwirken der Schülerinnen und Schüler zu entlasten.

Schülerinnen und Schüler sind Teil der Schulkultur und tragen diese mit. Ihre Vorstellungen von sozialer Ordnung basieren oft auf klassischen Machthierarchien und nicht auf deliberativen und partizipativen schulischen Aushandlungen.


Praxis der Partizipation

In den Leitsätzen und Programmen der fünf untersuchten Schulen ist Partizipation ungenügend verankert und die Vorgaben zur Umsetzung sind unklar. In allen Schulen gibt es «institutionalisierte» Gefässe der Partizipation, wie Klassenrat und Schulparlament, die in manchen Fällen etwas starr – politische Institutionen kopierend – umgesetzt und von den Kindern unterschiedlich bewertet werden. Während die Lehrpersonen den Klassenrat als das Partizipationsgefäss schlechthin sehen, wünschen sich die Schülerinnen und Schüler mehr Partizipation im Klassenrat. Im Unterricht findet aus Sicht der Lehrenden und Lernenden wenig Partizipation statt, obwohl sich hier alle mehr Partizipation wünschen.

Partizipation sowie die Zufriedenheit mit schulischer Partizipation nehmen mit höheren Schulstufen ab: Je älter die Lernenden sind, desto weniger Partizipation nehmen sie wahr und desto weniger zufrieden sind sie mit der schulischen Partizipation.

Partizipation von Schülerinnen und Schülern als Schulentwicklungsziel

Im Laufe des Projektes wurden Veränderungen in den Teams der fünf Schulen – nicht zuletzt durch die Rückmeldungen der Forschungsergebnisse im Rahmen von Workshops - angestossen. Die Akteure in den Schulen wurden für das Thema Partizipation sensibilisiert, nahmen es in unterschiedlichen Alltagssituation bewusst wahr und brachten es immer wieder in Diskussionen ein. Schulentwicklung in Richtung mehr Partizipation erfordert Beharrlichkeit und Reflexion von Seiten der Schulleitung und der Lehrpersonen und die Bereitschaft, sich auf Kritik und Meinungsverschiedenheiten einzulassen. Die Schulen, die Partizipation zuliessen, machten die Erfahrung, dass Kinder Probleme und Konflikte erfolgreich lösen können, viel Energie aufbringen, wenn es um die Bewältigung von Aufgaben geht, und dass Schule allen Beteiligten durch Partizipation mehr Spass macht. 

Ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse Projekt PasSe.pdf

Publikationen

Häbig, J., Zala-Mezö, E., Müller-Kuhn, D., Herzig, P., Strauss, N.-C., Kuster, R., & Unterweger, G. (2016). Projektzeitung «Partizipation stärken - Schule entwickeln». PH Zürich. Abgerufen von https://phzh.ch/globalassets/phzh.ch/forschung/forschungszentren/zse/passe_zeitung_ausgabe_1_2016-11.pdf

Häbig, J., Zala-Mezö, E., Müller-Kuhn, D., & Strauss, N.-C. (2018). Partizipation von Schülerinnen und Schülern schriftlich fixiert. Zeitschrift für Bildungsforschung, 8(2), 173–187. doi: 10.1007/s35834-018-0215-x

Häbig, J., Zala-Mezö, E., Müller-Kuhn, D., & Strauss, N.-C. (2019). «Im normalen Leben funktioniert das auch nicht» Rekonstruktionen des kollektiven Verständnisses von Schülerinnen- und Schülerpartizipation. In S. Hauser & N. Nell-Tuor (Hrsg.), Sprache und Partizipation im Schulfeld. Bern: Hep Verlag.

Herzig, P., Müller-Kuhn, D., & Zala-Mezö, E. (2018). Eine gelebte Partizipation ist mehr! Bildung Schweiz, (12), 28–29.

Müller-Kuhn, D. (2021). Ja, wir wollen! Partizipationswünsche von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen. In S. Thomas & J. Rothmaler (Hrsg.), Partizipation in der Bildungsforschung (2. überarbeitete Auflage, S. 293–326). Weinheim: Beltz Juventa.

Müller-Kuhn, D., Häbig, J., & Strauss, N.-C. (2016). Ein Recht auf Mitbestimmung – wie kann (schulische) Partizipation gelingen? Partizipation – Mein Part zählt, 9–13. Abgerufen von www.bundesakademie-trossingen.de/fileadmin/user_upload/Bibliothek_Schriftenreihe/SR_Band_30.pdf

Müller-Kuhn, D., Häbig, J., Zala-Mezö, E., Strauss, N.-C., & Herzig, P. (2020). „So richtig Einfluss auf den Unterricht haben wir nicht" – Wie Schülerinnen und Schüler Partizipation wahrnehmen. In S. Gerharz-Reiter & C. Reisenauer (Hrsg.), Partizipation und Schule – Wege für mehr Selbstbestimmung in Bildungsverläufen (S. 187–206). Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Müller-Kuhn, D., Herzig, P., Häbig, J., & Zala-Mezö, E. (2021). Student participation in everyday school life — Linking different perspectives. Zeitschrift für Bildungsforschung, 11(1). doi: 10.1007/s35834-021-00296-5

Müller-Kuhn, D., Zala-Mezö, E., Herzig, P., Strauss, N.-C., Marti, S., Kuster, R., & Häbig, J. (2018). Projektzeitung «Partizipation stärken – Schule entwickeln». PH Zürich. Abgerufen von https://phzh.ch/MAP_DataStore/287391/publications/PasSe_Zeitung_Ausgabe%202_2018-12.pdf

Strauss, N.-C., Zala-Mezö, E., & Häbig, J. (Hrsg.). (2018). Schulentwicklung – einführende Überlegungen in ein komplexes Phänomen. In Dimensionen von Schulentwicklung. Verständnis, Veränderung und Vielfalt eines Phänomens (S. 7–11). Münster: Waxmann.

Strauss, N.-C., Zala-Mezö, E., Herzig, P., Häbig, J., & Müller-Kuhn, D. (2017). Partizipation von Schülerinnen und Schülern ermöglichen: Perspektiven von Lehrpersonen. journal für schulentwicklung, 21(4), 13–21.

Zala-Mezö, E., Datnow, A., Müller-Kuhn, D., & Häbig, J. (2020). Feeding back research results – Changes in principal and teacher narratives about student participation. Studies in Educational Evaluation, 65, 1–10. doi: 10.1016/j.stueduc.2020.100848

Zala-Mezö, E., Häbig, J., Kuster, R., Müller-Kuhn, D., & Herzig, P. (2020). Rückmeldung von Forschungsergebnissen als Möglichkeit für Partnerschaft zwischen Praxis und Forschung. journal für schulentwicklung, 3, ONLINE Beitrag.

Zala-Mezö, E., & Kummer Wyss, A. (2018). Partizipation von Schülerinnen und Schülern – Editorial. journal für schulentwicklung, 21(4), 5–9. Abgerufen von https://www.studienverlag.at/material/STV/OpenAccess/5622_Editorial_jse4_2017.pdf

Zala-Mezö, E., Strauss, N.-C., & Häbig, J. (2018). Dimensionen von Schulentwicklung. Eine vergleichende Analyse der Beiträge. In E. Zala-Mezö, N.-C. Strauss, & J. Häbig (Hrsg.), Dimensionen von Schulentwicklung. Verständnis, Veränderung und Vielfalt eines Phänomens (S. 225–236). Münster: Waxmann.

Zala-Mezö, E., Strauss, N.-C., Herzig, P., Müller-Kuhn, D., Häbig, J., & Kuster, R. (2018). Der Komplexität von Schulentwicklung methodisch begegnen: Das Projekt «Partizipation stärken - Schule entwickeln». In E. Zala-Mezö, N.-C. Strauss, & J. Häbig (Hrsg.), Dimensionen von Schulentwicklung. Verständnis, Veränderung und Vielfalt eines Phänomens (S. 15–59). Münster: Waxmann.​

Kontakt

Porträtfoto von Prof. Dr. Enikö Zala-Mezö

+41 43 305 68 76